Was wir unseren Kindern hinterlassen

"The Legacy Project"

Wie werden Deine Kinder Dich in Erinnerung behalten?

Ich mache mir da ständig Gedanken drüber, denn ich selbst habe kein sonderlich gutes Verhältnis zu meinen Eltern und will, dass das zwischen mir und meinen Kindern mal anders ist.

 

Aber wenn es um unsere Kinder geht, wird es bei uns Eltern schnell emotionell. Argh!

 

Und Emotionen kommen gern in Wellen. Oft in grossen, manchmal unerwarteten Wellen die größer als wir selbst sind und plötzlich über uns hereinbrechen. Dann ist es schwer das Gleichgewicht zu behalten, man kämpft um stehen zu bleiben und man findet sich oft in der reinen Reaktion auf das Gefühl wieder als in der bewussten Aktion.

Und dann gibt es auch die kleinen, leisen Wellen die nicht so schrecklich viel Lärm machen, die aber stetig und immer wieder gegen unsere Knöchel klopfen und uns ständig daran erinnern: Da ist noch was.

Konstantes Hinterfragen: War das jetzt so angebracht?

Eltern sein bedeutet auch ständig etwas überfordert zu sein - oder zumindest uns ständig am Rand unserer eigenen Komfortzone zu bewegen (bei mir zumindest). Denn Eltern sein ist ein Job für den es kaum Training gibt. Eltern sein lernt man „on the Job“. Das bedeutet oftmals Dinge, Situationen und Gefühle vorgesetzt zu bekommen mit denen man sich vor Ort und im Moment auseinander setzen und reagieren muss. Und im Nachhinein kommt dann oft die Frage:

Hab ich das so richtig gemacht? War das angemessen?

Eine Antwort darauf bekommen wir, wenn überhaupt, erst viel später - irgendwann in der Zukunft. Die Zeit wird zeigen ob ich, meine Handlungen und Reaktionen und mein gelebtes Beispiel, die erhoffte Wirkung bei unseren Kindern hatte.

 

Und wenn wir dann schon bei dem Gedanken Zukunft sind, frage ich mich immer: Wie wird es wohl dann sein, so in der Zukunft, mit meinen Kindern?

Die Hoffnung ist natürlich, dass ich dann noch da bin. Das ich ein gutes Verhältnis zu meinen Kindern habe und das sie, wenn sie Rat und Hilfe brauchen, wissen das sie zu mir kommen können.

 

Aber wir wissen alle wie das Leben manchmal spielt:

vielleicht bin ich nicht mehr da, ...

oder wir leben weit voneinander entfernt, ...

oder vielleicht ist etwas derbe schief gelaufen und wir reden nicht mehr miteinander?

 

Ich weiss es nicht. Keiner weiss das.

Wenn ich doch jetzt schon etwas tun könnte das mir später unter die Arme greift - wie eine Wertanlage.

 

Ich wünschte ich könnte Zeitreisen.

Ich wünschte ich könnte in die Zukunft reisen, sehen wie es ist und dann zurück ins Jetzt kommen um die angemessenen Vorbereitungen dafür, oder dagegen treffen.

 

Und selbst wenn alles gut läuft: Wenn mein Kind in 20 oder 30 Jahren zu mir kommt und mich um Rat bittet was das Erwachsen- und das Eltern sein betrifft…

Dann bin ich eine alte Frau und werde ihm „nur“ den Rat aus dieser Position heraus geben können. Hoffentlich wird mein Rat weise, besonnen und mit eigener Lebenserfahrung angereichert sein.

Aber werde ich dann noch wissen und nachvollziehen können was es heisst in der Situation zu stecken?

noch wissen wie es sich anfühlte nervös und etwas angespannt zu sein, nicht die Ruhe und Lebenserfahrung und die dazugehörige Gelassenheit zu haben? Und selbst wenn: Werde ich das auch vermitteln können?

 

Wie ich oben schon mal erwähnte: Ich selbst habe kein, bzw. kein enges Verhältnis zu meinen Eltern und die bestehenden Spannungen sorgen dafür, dass ich mich nie mit Fragen oder der Bitte um Rat an sie wende.

Und auch wenn mir jetzt gar nicht der Gedanke kommt zu fragen, frage ich mich oft etwas anderes im Bezug auf meine eigenen Eltern. Wie waren sie wohl damals, als sie so alt waren wie ich jetzt. Was ging ihnen so durch den Kopf und wie haben sie tatsächlich reagiert und gehandelt? Meine eigenen Kindheitserinnerungen sind schließlich sehr einseitig und nur eine verzerrte und etwas trügerische Version der Ereignisse.

 

Und wenn es doch ginge, das Zeitreisen...?

Aus dieser Situation und diesen Gedanken heraus habe ich ein Projekt gestartet:

Ich habe mir vorgenommen, mir und meinen Kindern, Zeitreise zu ermöglichen.

 

Haha! Nein nicht im Sinne von ‚verrückter Wissenschaftler‘ oder „Zurück in die Zukunft“. Ich mache das ganz „old school“ - mit Hilfe von Briefen.

 

 

Wertanlage für meine Kinder02

Wertanlage Legacy Project

Jedes Jahr setze ich mich hin und schreibe 5 Briefe zu 5 ausgewählten Themen. Themen die mich in diesem Jahr berührt, bewegt und geprägt haben. Diese 5 Briefe des Jahres kommen dann in einen größeren Umschlag, der versiegelt wird und von mir auch nicht mehr aufgebrochen wird….

bis irgendwann ich sie meinem Kind gebe.

 

Nein, es ist kein Tagebuch, denn ein Tagebuch ist ja etwas für einen selbst und wird meist aus dem Affekt geschrieben. Diese Briefe sind bedacht, geplant und haben einen Adressat: mein Kind.

Und nicht mein Kind jetzt und heute, 5 Jahre alt, sondern der 25/30/35...jährige Erwachsene der meinen heutigen 35jährigem Ich auf Augenhöhe begegnet - mit allen akuten Ängsten, Nöten und aktuellem, "jungem" Wissens-/Glaubensstand.

 

 

Mein Kind soll diesen Rückspiegel haben, der es ihm erlaubt, eine „Unterhaltung“ mit seiner eigenen, jungen Mutter aus der Vergangenheit zu haben. Es sollen nicht irgendwelche willkürlichen, unsortierten ‚Flashbacks‘ sein, sondern themenspezifische Briefe, die sie zu Rate ziehen können, wenn sie selbst gerade in der Situation stecken und Hilfe von jemandem brauchen der nur den einen Hintergedanken hat: bedingungslos das Beste für Dich zu wollen.

Von jemandem der von unserem späteren Verhältnis (wie immer das sein mag) unbefangen ist.

 

Bald ist wieder Jahresende und Zeit für meine Briefe… das Stück Gegenwart und die Momentaufnahme von mir, die ich ihm sozusagen einfriere. Auf das sie mich in ihrer Zukunft ganz neu entdecken. Ich nenne es mein „legacy project“, was soviel wie ‚meine Hinterlassenschaft‘ bedeutet.

Etwas hochgestochen - ja. Aber zutreffend. Und eine Anlage die sich hoffentlich rechnet und unbezahlbar wertvoll sein wird. Hoffentlich.

 

 

 

 

 Wie sieht Deine Endjahrestradition aus? Triffst Du auch ganz bewusst Entscheidungen was Deine Kinder mal als "das war schon immer so" bezeichnen sollen?